Comment, please

im sic! Kunstpavillon und sic! Elephanthouse
Karfreitag, 3. April, bleiben alle Ausstellungsräume geschlossen. Am Donnerstag und Samstag gelten die normalen Öffnungszeiten.
Führung durch die Ausstellung mit Simone Hofmann: Samstag, 11. April und 2. Mai, 16 Uhr, Kunstpavillon
Performance von Silvia Isenschmid: Freitag, 17. April, 19 Uhr, Kunstpavillon
C O M M E N T , P L E A S E 
Für die Ausstellung «Comment, please» wurden Kunstschaffende eingeladen, in derer künstlerischer Praxis das Kommentieren und Verweisen einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Wie verändert das zeitgenössische Kunstschaffen unsere Wahrnehmung auf die Kunstgeschichte? Ist das Kommentieren der eigenen Arbeit eine Notwendigkeit und wie wird die Lust am Kommentieren mit künstlerischen Mitteln ins Absurde getrieben?
Veronika Spierenburg
Kamerafahrten entlang sorgfältig geschnitzter Treppengeländer und geometrisch strukturierter Lüftungschächte, roher Backsteinmauern und kühlen Marmorfliessen, verborgener Dachkonstruktionen und Oblichter werden einander in nüchternem Schnitt gegenübergestellt. Bei längerer Betrachtung werden die leeren Räume und Detailaufnahmen ihrer ursprünglich funktionaler Bestimmung wie Lichteinfall, Präsentationsfläche oder Lüftung enthoben und zu formalen Kompositionen, die durch ihre komplexe Gestaltung zu verwundern mögen. In der Parallelprojektion «...as it is» erforscht Veronika Spierenburg systematisch die spezifischen Besonderheiten dreier Ausstellungsbauten, deren Architekten sich gegenseitig voneinander beeinflussen liessen: Dem Kunsthaus in Glarus (CH), dem Östergötland Museum in Linköping (SE) und des Museums Boijmans Van Beuningen in Rotterdam (NL).
Kontrastiert wird die Bildebene von einer Audiospur, die die technische Bedingtheit der dokumentierten Ausstellungsräume zu Tage fördert. Die Grundlage dafür bildet das modifizierte Knarren der Aluminiumlamellen, die den Sonnenlichteinfall im Satteldach des Aargauer Kunsthauses regulieren. Dort wurde die Arbeit anlässlich des Manor Kunstpreises 2014 erstmals präsentiert. Die präzise komponierten Bildsequenzen und das feine Gespür für Räume, Geometrien und Materialien schärfen den Blick auch für architektonische Details und die Beschaffenheit des Raumes, in dem die Arbeit präsentiert wird – einem umgenutzten Pavillon, der nochmals ganz andere Strukturen aufweist, als ein für Ausstellungen konzipiertes Haus. Die formal reduzierte Videoarbeit entstand als Konzentrat ausgiebiger Recherchen, in denen sich die Künstlerin mit den ausgewählten Orten auseinandersetzte.
Dieses Vorgehen ist typisch für Veronika Spierenburgs (*1981) Arbeitsweise. Ihr Interesse gilt dem Verhältnis von Körper und Architektur sowie dem damit verbundenen Spannungsverhältnis von Bewegung und Statik, das sie oft ortsspezifisch in den Medien Video, Performance, Ausstellung und Buch auslotet. Sie studierte an der Schule für Gestaltung in Basel, an der Gerrit Rietveld Academy in Amsterdam sowie am Central Saint Martins College in London. 
Ihre Arbeiten wurden in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen u.a. in Aarau, Amsterdam, Beijing, London, New York und Zürich gezeigt. 2013 wurde Veronika Spierenburg mit dem Manor Kunstpreis des Kantons Aargau ausgezeichnet. Sie lebt und arbeitet in Zürich.
Jan Kiefer
Menschengrosse, vor Rost angegriffene Gabeln liegen auf dem Boden des Ausstellungsraumes. Die aus Stahl gefrästen Objekte sind in ihrer Form Essgabeln von Bekannten des Künstlers nachempfunden. Darauf wurde eine aus exotischen Früchten bestehende, vom Künstler selbstgemachte Marmelade, aufgetragen. Diese Spuren verleihen den Eindruck, dass die Gabeln eben noch in Gebrauch waren und sind auch olfaktorisch im Raum wahrnehmbar. In der Rauminstallation «Aaananaaas» verbinden sich die Recherche zu Themen des Alltags und der Geschichte der Dinge mit einer konzeptuellen Herangehensweise. Besonders die Kulturgeschichte der Gabel eröffnet einen Zugang zu Kiefers Arbeit. Gibt es den Löffel bereits seit der Steinzeit und war er vor allem im bäuerlichen Gebrauch sehr verbreitet, hat die Gabel ihren Ursprung erst in den höfischen Kreisen des 16. Jahrhunderts. Die Gabel war ein Symbol für Wohlstand, Sitte, vornehmes Benehmen und gute Manieren. Von der katholischen Kirche wurde ihr Gebrauch im Alltag lange Zeit abgelehnt, da die Gabel mit dem Teuflischen assoziiert wurde. Gabeln wie auch Marmelade wurden als Statussymbol gehandelt, wodurch Kiefer wiederum auf das Thema der Wertigkeit Bezug nimmt. Kiefer kontrastiert ein ursprünglich luxuriöses Lebensmittel mit den gerosteten Gabeln, die in ihrer Vergrösserung Assoziationen zu Heu- oder Mistgabeln wecken und schafft so zwei gegensätzliche Pole, die die Gabel von ihrer eindeutigen Bestimmung lösen. Heute sind Gabeln meist industriell gefertigte Gebrauchsgegenstände.
Kiefers Gabeln sind von Hand hergestellt, ihre Grösse ist unproportional zu deren Dicke, sie erhalten dadurch etwas Modellhaftes. Die Auseinandersetzung mit dem Material – die meisten Arbeiten führt der Künstler selbst aus – beeinflusst die inhaltliche Auseinandersetzung und manifestiert sich auf jeweils projektspezifisch definierte Weise. Der Künstler versucht, die narrative Dimension der Dinge zwischen einem nahezu etymologischen Zugriff und ihrem Status als Ware und Zeichen zu entfalten.
Die Videoarbeit «Painter» kann als ironischer Kommentar auf den Topos des klassischen Malers verstanden werden: Die Figur des Landschaftsmalers, die totz des heraufziehenden Gewitters mit immer grösser werdenden Leinwänden einen Berg besteigt, wird von einem Windstoss weggefegt. Die an ein Computerspiel erinnernde Begleitmelodie verstärkt die slapstickartige Wirkung des kurzen, im Loop präsentierten Zeichentrickfilms.
Jan Kiefer (*1979) studierte an der Hochschule für Kunst und Design in Basel und Luzern sowie an der Universität für angewandte Wissenschaft in Trier. Er war an zahlreichen internationalen Gruppenausstellungen beteiligt und zeigte seine Arbeiten in Einzelausstellungen in Berlin und Basel. 2013 verbrachte er einen Atelieraufenthalt in Berlin und wurde ein Jahr später mit einem Werkbeitrag des Kunstkredits Basel ausgezeichnet. Jan Kiefer lebt und arbeitet in Basel.
Taiyo Onorato und Nico Krebs
2009 begannen Taiyo Onorato und Nico Krebs sich mit Rotationsbildern zu beschäftigen. Für die Serie Light of other Days fotografierten sie erstmals direkt auf Positiv-Papier – im Vergleich zum Film ist dieses sehr unempfindlich. In den rotierenden Strukturen begann sich ihr Interesse für skulpturale Elemente zu entwickeln: Skulptur die aber erst dann vollständig sichtbar wird, wenn sie fotografisch abgebildet wird. Für die Serie Spins, 2012, die in "Comment, please" gezeigt wird, fertigten die Künstler Konstruktionen aus Holz und anderen Materialien an, die in einem dunklen Raum drehend installiert, beleuchtet und während langer Zeit belichtet wurden. Das Spiel zwischen temporeicher Bewegung und statischer Form ist mehr als nur ästhetisch überzeugende Bildwelt; die Bilder verführen zu vielerlei Assoziationen. Eine tanzende Figur vor schwarzem Hintergrund: «Dancers, 2014» erinnert an Fotografien und Filme aus dem Zirkus oder von Jahrmärkten des letzten Jahrhunderts. Der Bär mit Nasenring, zwei, drei kleine Menschen mit Zylindern, die Schlangenfrau. Diese Person, die ihre Glieder in scheinbar alle Richtungen zu drehen vermag. Die Tanzende sind eigentlich zwei, sie ist zusammengesetzt und kann sich nur vermeintlich in die absurdesten Verrenkungen biegen. Im Zirkus und auf Jahrmärkten dieser Zeit wurde viel mit illusionistischen Täuschungen gearbeitet. Vieles, was sich in unserer Erinnerung aus den Dokumenten dieser Zeit eingegraben hat, sind Fakes, Trickbilder. Zwischen perspektivischer Verzerrungen und gelungener Inszenierungen schufen die Magier dieser Vergnügungsstätten überraschende Bilder. Taiyo Onorato und Nico Krebs haben den verwendeten Film doppelt belichtet: Zuerst wurde eine Sequenz aufgenommen, dann wurde der Film zurück gespult und danach die zweite Sequenz, die zweite Tänzerin, direkt auf dasselbe Filmmaterial belichtet.
Taiyo Onorato (*1979) und Nico Krebs (*1979) studierten bis 2005 Fotografie an der ZHdK und arbeiten seit 2003 zusammen. In ihrer Arbeitsweise verbinden sie aufwändig inszenierte Bilder mit klassischen Bildern, bei denen sich ihr Eingreifen in den Moment auf das Wesentliche beschränken. Wo die beiden tricksen, wird aus dem Vollen geschöpft: Sie bauen Modelle, verwenden illusionistische Werkzeuge, setzen Kunstlicht ein, wählen extreme Winkel. Die Grenze zwischen Kunst- und Naturgegenstand, zwischen realer und fiktiver Landschaft verschwimmt vor den Augen der Betrachtenden und verführt zu analysierenden Spaziergängen. Die Arbeiten von Taiyo Onorato und Nico Krebs erweitern das Medium Fotografie: Nicht nur kommentierend, selbstreflexiv sondern über die Grenzen und Beschränkungen hinaus. Dabei ist der Einbezug anderer Medien ebenso eine Selbstverständlichkeit wie augenzwinkernde Referenz zu deren historischer Verankerung.
Hannah Weinberger
Im Garten des Kunstpavillons präsentiert Hannah Weinberger eine Soundinstallation, die den Ort als akustische Kulisse erlebbar macht. Synthetische Beats, klassische Instrumente sowie didgeridooartige Klänge, dazwischen Geräusche wie das Beschleunigen eines Fahrzeuges, einer startenden Rakete, ein kurzes Zischen, das sich blubbernd verliert... Die Beats werden überlagert, kombiniert und wiederholen sich im Loop. Es entsteht ein tranceartiger Geräuschteppich, der sich mit natürlichen Geräuschen der Umgebung, dem Plätschern des Brunnens, Vogelgezwitscher und Stassenlärm vermischt. Die Basslinie der Komposition beruht auf der Frequenz des Herzschlags von Weinbergers Tochter und wird mit Aufnahmen realer Geräusche und künstlich erzeugten Beats überlagert. Die Herzfrequenz eines Neugeborenen liegt ungefähr bei 120 Schlägen pro Minute. Die um einiges langsamere Herzfrequenz Erwachsener wird als verkaufsfördernde Massnahme eingesetzt – Kaufhäuser spielen Hintergrundmusik, welche nahe an der menschlichen Herzfrequenz liegt, was sich erwiesen positiv auf das Kaufverhalten der Kunden auswirkt. Aus diesem – individuell wie kollektiv besetzten – Ausgangsmaterial resultiert eine zugleich vertraut und unpersönlich anmutende musikalische Komposition, deren eklektische Elemente der Sampling-Technik elektronischer Musikproduktion entlehnt sind. Fragen der Partizipation und Serialität spielen darin eine wichtige Rolle. Die Bedingungen und Möglichkeiten der digitalen Kultur, insbesondere das Verschwinden des Individuums in den Datenströmen, bilden den konzeptionellen Ursprung von Weinbergers Auseinandersetzung.
Hannah Weinberger (*1988) studierte 2008–2013 an der ZhdK. Bereits während ihres Studiums war sie an Gruppenausstellungen u.a. in Los Angeles und Kopenhagen beteiligt und zeigte ihre Werke in Einzelausstellungen in Basel, Mailand und New York. Ortsspezifische Sound- und Klanginstallationen gehören ebenso zu ihrem Schaffen wie installative Arbeiten, die Bild und Text verknüpfen sowie Performancekonzepte. Die Künstlerin lebt und arbeitet in Basel.
Texte: Nadine Wietlisbach und Eva-Maria Knüsel
Beni Bischof
SNG – geil Wochenende – Homer Simpsons Kreditkarten Nummer - das Bier in der freien Schweiz vis-à-vis des Ausstellungsraumes - eine etwas andere Version der Ernährungspyramide: Die Wände sind dicht gefüllt mit Beni Bischofs Kommentaren auf das Leben, die Welt und seine eigene Kunstproduktion.
Beni Bischof behandelt die grossen Themen der Politik und Gesellschaft, bis hin zu Alltagsgegebenheiten. Er kommentiert den Ort und macht auch vor sich selbst nicht Halt. Dabei bedient er sich Bild- und Textfragmenten aus Zeitschriften, Emails, Witzen, Zeichnungen, Fotos und Eindrücken aus der direkten Umgebung. Diese übersetzt Bischof in humorvolle, poetische, skurile, zynische und immer sehr direkte Text- und Bildbotschaften.
Die Mehrheit der Texte in «The problem is not the problem» entstanden spontan vor Ort, andere wiederum sind an seine Publikation «Texte» (2015) und ältere Arbeiten angelehnt. Durchpflügt man alle Kommentare, scheint man eine vage Ahnung von Beni Bischofs Musikgeschmack, politischer Einstellung und seiner Sicht auf das Leben zu bekommen. Über das Internet wird Beni Bischof jederzeit mit der Ausstellung in Kontakt treten können. In Echtzeit sendet er im Verlauf der Ausstellungsdauer weitere Nachrichten, Bilder, Texte an den im sic! Elephanthouse installierten Drucker. Wie ein Liveticker aus seinem Leben lässt er uns an seinem Alltag teilhaben.
Beni Bischofs (*1976) oft überbordende raumgreifende Installationen sowie Zeichnungen, Malerei und Objekte wurden in Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland gezeigt. Seit 2005 publiziert er im Eigenverlag das «Lasermagazin», das mit einfachen Mitteln produzierte Fanzine zeugt von seiner intuitiven und eruptiven Bild- und Text- produktion. Bischof hat zahlreiche Auszeichnungen gewonnen u.a. den Swiss Art Award und den Förderpreis der Stadt St. Gallen 2012. 2015 wurde er mit dem Manor Kunstpreis ausgezeichnet, die damit verbundene Einzelausstellung ist aktuell im Kunstmuseum St. Gallen zu sehen. Beni Bischof lebt und arbeitet in St. Gallen.
Text: Laura Breitschmid